Artikel zu „Bekennende Kirche“

Artikel zu „Bekennende Kirche“

Was war die „Bekennende Kirche oder ‚Bekenntnisfront‘ in den Jahren 1934 – 1945?

Die „Bekennende Kirche“ (BK) war die Kampf- und Widerstandsbewegung der evangelischen Kirche gegen die nationalsozialistische Weltanschauung und die Bewegung der „Deutschen Christen“ (DC).

Nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus im Jahr 1933 schoben sich die DC als Kampfgruppe der Nationalsozialisten in die Kirche vor. Sie wollten Christentum und nationalsozialistische Weltanschauung miteinander verschmelzen. Gefördert und gestützt von Partei und Staat rissen sie die Macht in einer Reihe von Landeskirchen, vor allem in Norddeutschland, an sich; sie stürzten die bisherigen Kirchenleitungen, setzten DC-Bischöfe ein und vollzogen weithin die „Gleichschaltung“ der Kirche mit dem NS-Staat. Ihr Ziel war die NS-Reichskirche, ihr Haupt der DC-Reichsbischof Müller, der Vertrauensmann Hitlers.

In dieser Lage erwuchs aus Pfarrerschaft und Gemeinden die Gegenbewegung der BK und nahm den Kampf auf gegen diesen Einbruch des Nationalsozialismus in die Kirche. So kam es zum erbitterten Kirchenkampf.

Die BK kämpfte:

für die reine Verkündigung des Evangeliums gemäß der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche,

für die Erhaltung der evangelischen Schule und der evangelischen Jugenderziehung,

für ein bekenntnisgebundenes Kirchenregiment, gegen die DC als die Förderer der Irrlehre und der NS-Weltanschauung,

gegen den Machtanspruch des NS-Staates über die Kirche und seine dafür eingesetzte Polizeigewalt,

gegen die Übergriffe der Partei in das innere Leben der Kirche.

 

In Bayern schlossen sich 1934 in diesem Kampf BK-Pfarrer und BK-Gemeinden zusammen und scharten sich um ihren Landesbischof D. Meiser, den Staat, Partei und DC zu Fall bringen wollten. Ende 1934 erreichte der Kampf seinen Höhepunkt. Der Landesbischof wurde verhaftet, das Kirchenregiment abgesetzt. Die Bayerische Landeskirche sollte der DC-Reichskirche eingegliedert werden. Es kam zu einem Sturm in der ganzen Bayerischen Landeskirche. Die BK veranstaltete Bekenntnisgottesdienste in allen Gemeinden und löste gewaltige Protestkundgebungen in den Städten aus. Abordnungen der BK erhoben im Namen Hunderttausender von treuen Gemeindegliedern schärfsten Einspruch gegen die Vergewaltigung der Kirche bei den höchsten Staats- und Parteistellen.

An diesem eisernen Widerstand zerbrach der Angriff auf die Bayerische Landeskirche. Die DC konnten sich nicht durchsetzen. Staat und Partei mussten nachgeben. Der Landesbischof wurde wieder freigelassen; das bekenntnistreue Kirchenregiment wieder in sein Amt eingesetzt. Das war der Erfolg der BK in Bayern.

Der Kampf der BK war aber damit noch nicht zu Ende. Er ging fort, solange das Dritte Reich bestand, und erweiterte sich gleichzeitig zu einem Kampf für Recht und Gerechtigkeit im Leben des ganzen Volkes und

gegen alle Bedrückung und Vergewaltigung, insbesondere

gegen das Unrecht der „Konzentrationslager“,

gegen die Ermordung von Geisteskranken und

gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden.

 

Im Verlauf dieses Kampfes wurden ungezählte Mitglieder der BK, deren Ausweis die „Rote Karte“ war, als Feinde des Dritten Reiches von Staat und Partei bedroht, bedrückt, verfolgt und gemaßregelt. Allein gegen die BK-Pfarrer der Bayerischen Landeskirche wurden von 1933 bis 1945 u.a. folgende Maßnahmen durchgeführt:

1. Durch Staatsbehörden: 823 Vorladungen und Verhöre, 308 Verwarnungen, 211 Haussuchungen, 168 Beschlagnahmen, 57 Fälle von Polizeihaft, 315 staatsanwaltliche und gerichtliche Verfahren, 7 Fälle von Untersuchungshaft, 28 Strafbefehle, 66 Geldstrafen, 15 Gefängnisstrafen usw.

2. Durch Parteidienststellen: 148 Vorladungen durch Kreisleiter, 199 Beanstandungen durch Parteidienststellen, 29 Verfahren vor dem Parteigericht.

Darüber hinaus wurden in ganz Deutschland zahlreiche BK-Pfarrer ihres Amtes entsetzt; viele wanderten ins Gefängnis oder KZ; manche von ihnen kamen gewaltsam ums Leben und starben als Märtyrer der Kirche.

Dadurch ist einwandfrei erwiesen: Wer der BK als Mitglied angehörte und sich aktiv für sie einsetzte, war damit in einer Kampf- und Widerstandsbewegung tätig, stand im Gegensatz zum Nationalsozialismus und seiner Weltanschauung und musste gewärtigen, dadurch Nachteile zu erleiden. Wenn Parteigenossen sich der BK anschlossen, so bezeigten sie damit, dass sie innerlich der NS-Weltanschauung und dem DC-Geist fernestanden und dass sie die Treue zu ihrer Kirche, die Liebe zu ihrem Volk und den Gehorsam gegen die göttlichen Gebote von Recht und Wahrheit höher stellten als die Zugehörigkeit zur Partei.

Artikel 39 Absatz II Ziffer 2 des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus bestimmt, dass bei Entscheidungen von den Kammern zugunsten eine Betroffenen zu berücksichtigen ist:

„Nachweisbare Zusammenarbeit mit einer Widerstandsbewegung oder mit anderen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gerichteten Bewegungen, wenn dieser Widerstand auf antinationalsozialistischen und antimilitärischen Beweggründen beruhte.“

Nachdem bereits in einer Reihe von Spruchkammerentscheidungen die BK ausdrücklich als Widerstandsbewegung anerkannt wurde, hat nunmehr auch der Kassationshof im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben als maßgebendes oberstes Gericht in einer Entscheidung vom 14.X.46 (Kass.-Reg. Nr. 377/46) ausgesprochen, dass die Bekenntniskirche „als Widerstandsbewegung im Sinne des Artikel 39/II/2 anerkannt werden muss.“

München, 10 Dezember 1946

EVANGELISCH-LUTHERISCHER
LANDESKIRCHENRAT
Gez.: D. Meiser.