Verhältnis zur Schuldfrage
Nach dem Krieg stellte Meiser sein Amt als Landesbischof zur Verfügung, wurde jedoch einstimmig wiedergewählt. Bis zu seinem Rücktritt aus freiem Willen blieb er bis 1955 im Amt. Unberechtigt ist der Vorwurf, Meiser habe sich nicht öffentlich zur Schuld des deutschen Volkes und der Kirche bekannt.
Im Stuttgarter Schuldbekenntnis vom Oktober 1945 heißt es u.a.:
„Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat, aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“
Kaum bekannt dagegen ist, dass sich Meiser am 26.7.1946 vor dem Exekutivkomitee des Lutherischen Weltkonvents in Uppsala ausdrücklich unter die Schuld stellte. Die Versammlung war auf Einladung von Sylvester Mickelfelder, einem amerikanischen Lutheraner, zustande gekommen und verfolgte das Ziel einer Versöhnung der Deutschen mit ihren ehemaligen skandinavischen Feinden. Obwohl Dänen und Norweger der Ansicht waren, der Schmerz über die Kriegsgeschehnisse sei noch zu groß und es sei noch zu früh für eine Versöhnung, erschienen sie; unter ihnen war auch Bischof Eivind Berggrav, der in der Zeit der deutschen Besetzung Norwegens der große Widerstandskämpfer der norwegischen Kirche war.
Der schwedische Erzbischof Eidem eröffnete die Versammlung mit dem 118. Psalm: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ Dann betete er in Latein, aus Gründen der Neutralität. Später erhob sich Hans Meiser und bat um Vergebung für das Böse und das Leid, das sein Volk über die Welt gebracht hatte. Der dänische und der norwegische Bischof umarmten ihn daraufhin in christlicher Liebe. Und plötzlich sprachen alle ohne Übersetzer – in Deutsch. Dies wäre ohne das Schuldbekenntnis Meisers sicher undenkbar gewesen, so wie auch die erste Begegnung zwischen den deutschen und den alliierten Kirchenführern in Genf nach dem Zweiten Weltkrieg ohne das Stuttgarter Schuldbekenntnis nicht möglich gewesen wäre.
1949 fand im ehemaligen KZ Dachau ein Gedenkgottesdienst für die Opfer des Lagers statt, der von Oberrabbiner Aaron Ohrenstein, dem Münchener Weihbischof Johannes Neuhäusler und Landesbischof Hans Meiser gemeinsam geleitet wurde. Das Ereignis wurde als so bedeutend angesehen, dass sogar die amerikanische Zeitschrift „Stars and Stripes“ in der Ausgabe vom 20.12.1949 auf Seite 2 eine Photoreportage darüber brachte.
Der Dachauer Anzeiger vom 17.12.1949 berichtet über die Friedhofsweihe für die Toten des KZ Dachau, an der die Vertreter der drei Religionen Weihbischof Neuhäußler, Landesbischof Meiser und Oberrabbiner Ohrenstein teilnahmen. Hans Meiser wird dort u.a. mit den Worten zitiert: „Wir denken daran, dass wir alle durch den Ungeist der Zeit, der zu diesen Gräbern geführt hat, mitschuldig geworden sind…“ Und Oberrabbiner Ohrenstein mahnte: „Wir sind hier zusammengekommen, um mit den Vertretern der beiden anderen Religionen der ganzen Welt zu zeigen, dass wir uns im Geist des Verzeihens verständigt haben, und dass wir uns nicht von der Hetze beirren oder leiten lassen, die man wegen dieser Gräber entfacht.