Keine Kritik am NS-Regime

Die Vorwürfe gegen Landesbischof Meiser


„Landesbischof Meiser kritisierte das NS-Regime nicht oder nicht deutlich“

Die Beziehungen zwischen Meiser und dem NS-Staat verliefen in mehrfacher Hinsicht unter einem doppelten Aspekt:

1) seitens des Staates erfolgte zunächst Werbung um die Kirche und dann sehr bald Bekämpfung,

2) a: Meisers Verhältnis bestand aus Loyalität und Opposition

b: Meisers innerkirchlicher Widerstand gegen die „Machtergreifung“ der nationalsozialistisch gesonnenen „Deutschen Christen“ war in seiner Auswirkung häufig zugleich Opposition gegen das NS-Regime, weil Hitler diese Bewegung in den ersten Jahren seiner Regierung nachdrücklich unterstützte.

Die Loyalität Meisers war keineswegs ideologisch oder politisch motiviert, sondern geschah aus anderen Gründen. Meiser erhoffte durch sie dem Staat und der NS-Partei ein Mindestmaß an Freiheit für die Aktivitäten der Kirche abringen zu können. Es ging ihm auch nicht nur um Taktik zur Erhaltung der Kirche, sondern um die Frage: Wie kann die Kirche ihrem Auftrag in Deutschland, gegen alle nationalistischen Auswüchse dem Volk das christliche Kulturgut zu erhalten, nachkommen? Unter diesem Aspekt geschahen schon seit 1933 seine unermüdlichen Proteste bereits im November dieses Jahres, als er nach der berühmt-berüchtigten Sportpalastkundgebung der Deutschen Christen in Berlin, in der das Alte Testament und die Theologie des „Rabbiners“ Paulus vehement angegriffen wurden, zu einem „flammenden Protest“ der Christenheit in Deutschland aufrief, der weite Verbreitung fand.

Im Oktober 1934 weigerte er sich, in seinem von der Gestapo beschlossenen Hausarrest seine von der Reichkirchenregierung beschlossene Absetzung als Bischof anzuerkennen. Die heftigen Proteste der evangelischen Bevölkerung in Bayern zwangen Staat und NS-Partei, diese Maßnahmen zurückzunehmen. Der württembergische Landesbischof Wurm, dem damals das gleiche Schicksal widerfuhr, bezeichnete die unnachgiebige Haltung Meisers später als die „einzige innenpolitische Niederlage“, die Hitler in seinen Regierungsjahren erlitt.

Protestmaßnahmen jeglicher Art finden sich im Abschnitt „Landesbischof Meiser war NS-Sympathisant“.

Bei allen Überlegungen sollte man bedenken, dass im totalitären Dritten Reich jeder Protest – gleich welcher Art – zur Verhaftung oder Verbringung in ein Konzentrationslager führen konnte. An Deutlichkeit seiner Protesthaltung hat es Meiser nicht gefehlt. Dafür mögen auch drei Zitate angeführt sein:

1) Als die Nazis 1938 das Weihnachtsfest durch das germanische Julfest ersetzen wollten, schrieb Hans Meiser in einem Vorwort zum Buch „Evangelische Weihnacht“ (Furche-Verlag, Berlin 1938): „Deutsches Volk, lass dir die Weihnacht nicht nehmen, denn mit ihr würdest du den Heiland verlieren und mit dem Heiland die Heimat und das Vaterhaus!“

2) In seiner Osterpredigt vom 25.4.1943 (!), gehalten in der Kreuzkirche München, kritisiert er das Regime ganz unverhohlen: „Es geht um die entscheidenden Grundfragen der Menschheit. Soll die Barbarei oder die Kultur triumphieren, der Massenwahn oder die gesunde Vernunft, der Nationalismus oder die Einheit der Menschen, die Hysterie oder das sichere, freudige Lebensbewusstsein, die Machtausübung und Überorganisierung oder das innerlich Gewachsene, die Materie oder der Geist, die Weltfrömmigkeit oder der Gottesglaube? Schließlich schießen alle Fragen in die eine große letzte Entscheidung zusammen: Untergang oder Auferstehung, Vernichtung oder Neuwerdung, Tod oder Leben.“

3) Am 22.1.1945 schreibt Hans Meiser an seine Amtsbrüder: „Die Entgottung der Welt musste mit ihrer Entseelung bezahlt werden, der Triumph der Technik mit der Todesstarre der Mechanisierung, die Entfesselung der Instinkte mit der Sturmflut der
Leiden. Das ganze Gefüge der Welt ist in Verwirrung geraten, in Hass und Feindschaft bekämpfen sich die Völker bis zur völligen Vernichtung. Ein grauenhaftes Fazit des Unglaubens! Der Weg des auf sich selbst gestellten, in Stolz und Hochmut sich selbst genügenden Menschen ist zu Ende gegangen. Die ‚Stadt in den Wolken’, die er bauen wollte, liegt in Trümmern. Dies ist Gottes Antwort auf die Selbstverherrlichung des Menschen.“

Kann es heftigere Kritik an Hitler und den Nationalsozialisten geben. Und unter welcher Gefahr wurden diese Worte öffentlich – in einer Diktatur – ausgesprochen?