Meiser war Antisemit

Die Vorwürfe gegen Landesbischof Meiser


„Landesbischof Meiser war Antisemit“

Dies wird immer wieder behauptet. Anlass dafür sind Äußerungen, die Hans Meiser im „Evangelischen Gemeindeblatt Nürnberg“ 33.Jahrgang 1926, Nr.33-35, als Rektor des Evang.-Luth. Predigerseminars Nürnberg geschrieben hat. Der Antisemitismus war damals in ganz Deutschland, gerade auch in Franken, weit verbreitet. In Nürnberg hatte 1925 die süddeutsche Provinzialtagung des evangelischen sozialen Kongresses stattgefunden. Angesichts eines umstrittenen Vortrages über das Thema „Grundlagen einer neuen Berufsethik“ hielten weite Kreise der Nürnberger evangelischen Gesamtgemeinde es für notwendig, eine Klärung der Frage nach dem Verhalten der Christen zu den Juden herbeizuführen. Die Schriftleitung des „Evangelischen Gemeindeblattes Nürnberg“ bat Meiser, in einem Artikel dazu Stellung zu nehmen. Dies erfolgte in einer Serie von drei Folgen unter dem Titel „Die evangelische Gemeinde und die Judenfrage“. Vor allem der erste Abschnitt enthält eine Reihe von antisemitischen Aussagen, welche die damals vorhandene Stimmung im Volke wiedergeben, z.B. „Gegen diese Art von Verjudung unseres Volkes [gemeint war der Einfluss der Juden in Wirtschaft, Kultur und Politik – d.Verf.] können wir nicht genug ankämpfen.“

Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes aber stehen in der zweiten und dritten Folge des Artikels Aussagen, die regelmäßig außer acht, um nicht zu sagen, unterdrückt werden, wie „Vor allem können wir denen keine Gefolgschaft leisten, die die Juden bloß um ihrer Rasse willen und von vorneherein und ohne Ausnahme als minderwertige Menschen ansehen“. Oder: „Gott hat uns nicht zur gegenseitigen Vernichtung, sondern zum gegenseitigen Dienst und zur gegenseitigen Förderung geschaffen.“ Oder: „Für uns sind auch die Juden Menschen, die Gott für sein Reich sucht und die an der Erlösung durch Christus Anteil haben sollen.“ Oder: „Der Kampf gegen das Judentum hat unter uns solche Formen angenommen, dass alle ernsten Christen förmlich genötigt sind, sich schützend vor die Juden zu stellen.“ Meiser hat sich jedoch gerade im Dritten Reich nicht der allgemeinen Judenfeindlichkeit angeschlossen. Noch vor seiner Amtseinsetzung am 11.6.1933 wurde er von Gauleiter Streicher in Versammlungen wegen seiner positiven Stellung zum Judentum angegriffen. In seinem antisemitischen Hetzblatt „Der Stürmer“ nennt Streicher ihn dann am 26.6.1936 einen „Judenfreund“ und überschüttet ihn mit Häme. Anlass dazu waren Meisers Äußerungen im Lutherischen Missionsjahrbuch 1935, in dem er zur Haltung von Christen gegenüber Juden Stellung genommen hatte (man findet diese Worte auch schon am Ende des Artikels von 1926): „Als Christen sollen wir Juden 1. mit Freundlichkeit grüßen, 2. mit Selbstverleugnung tragen, 3. durch hoffende Geduld stärken, 4. mit wahrer Liebe erquicken, 5. durch anhaltende Fürbitte retten.“ Bereits am 21.3.1934 protestierte Meiser in einem Brief an Ministerpräsident Siebert gegen die Diskriminierung der Juden, die von der NSDAP-Kreisleitung Ansbach-Feuchtwangen mittels eines Handzettels an alle Bürger ausgegangen war (siehe Dokumente). In ihm wurden sie aufgefordert, ein Ehrenwort dafür abzugeben, dass sie keine jüdischen Geschäfte betreten, keine jüdischen Rechtsanwälte konsultieren und keine Juden in ihr Haus aufnehmen oder besuchen werden. In seinem Protestschreiben heißt es u.a.: „…Wir wollen darauf verzichten des Näheren auszuführen, in welch krasser Weise die Aufforderung zu der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schädigung der Juden den Gesetzen christlichen Handelns zuwiderläuft…Wir bitten mit allem Ernst, dahin zu wirken, dass die Verbreitung der Aufforderung unverzüglich eingestellt wird, damit nicht unabsehbarer Schaden erwachse.“ Wer Worte wie diese in einer Diktatur ausspricht, geht ganz gewiss ein erhebliches Risiko ein. Mit dem Berliner Büro Grüber, das Hilfe für nichtarische Christen in verschiedener Form (z.B. Fluchthilfe oder finanzielle Unterstützung) durchführte, arbeitete Meiser eng zusammen. Die bayerische Landeskirche erbrachte dazu, wie Grüber später feststellte, von allen deutschen Landeskirchen die höchsten Beträge auf. Im Januar 1939 setzte Meiser zwei nichtarische Pfarrer in München (Pfr.Zwanzger) und Nürnberg (Pfr.Jordan) zur Betreuung nichtarischer Christen ein, was damals ein extrem hohes Wagnis bedeutete. Meiser und der Landeskirchenrat retteten immer wieder Juden, versteckten sie, statteten sie mit Geldmitteln zur Flucht aus. In München und Nürnberg wurden dabei – wie neueste Forschungen belegen – mindestens 126 Menschenleben gerettet. Öffentlichen Protest gegen die Judenverfolgung unterließ Hans Meiser, um einerseits die Kirche selbst (die von Hitler nach dem „Endsieg“ ebenfalls eliminiert werden sollte) nicht zu gefährden, andererseits um den Juden wenigstens im mehr oder minder Verborgenen helfen zu können. Hätte er sich lauthals gegen das Regime gewandt, wäre er sogleich ins KZ gekommen – und von dort aus hätte er niemandem helfen können. Ein Beispiel hierzu: „Zur Fluchtgeschichte Schweitzers teilte Oberkirchenrat Hugo Maser…am 15.Januar 1937 folgende Details mit: ‚Ich war Ende 1938 Stadtvikar in München. Während der Adventszeit ließ mich Landesbischof Meiser kommen und erklärte mir unter dem Siegel strengsten Vertrauens, dass Dr.Schweitzer vor der Gestapo in der Diakonissenanstalt München, Arcisstraße, versteckt werde. Ihm liege sehr viel daran, dass Schweitzer bald Deutschland verlassen könne. Er bat mich, nach Berlin zu fahren, um mit Hilfe des Lutherrates nach Wegen Ausschau zu halten. Die Herren des Lutherrates konnten mir wenig helfen. Da der Lutherrat um der offiziellen Kontakte willen in Berlin sein Büro hatte, aber Berlin-Brandenburg nicht zum Lutherrates gehörte, waren die entscheidenden inoffiziellen und persönlichen Kontakte gering…’ Maser berichtet weiter, wie es dennoch gelang, Dr.Schweitzer zu retten. ‚Nach meiner Rückkehr nach München musste ich sofort zu Meiser, der sich bis ins Einzelne genau berichten ließ. Ich hatte den Eindruck, dass ihm viel daran lag, Dr.Schweitzer zu retten. Dieser war dann in England während des Krieges Leiter einer Bibelschule.’“ Zit.nach Helmut Baier, Kirche in Not, Neustadt a.d.Aisch 1979, S.232 f. Im Dezember 1949 fand im ehemaligen Konzentrationslager Dachau ein Gedenkgottesdienst statt. Ein Bild davon, veröffentlicht in der amerikanischen Zeitschrift „THE STARS AND THE STRIPES“ (20.12.1949) zeigt Hans Meiser zusammen mit dem Oberrabbiner Aaron Ohrenstein und dem Katholischen Weihbischof Johannes Neuhäusler. Mit einem Antisemiten Hans Meiser wäre dieser Gottesdienst sicher nicht möglich gewesen. Im Amtsblatt für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern vom 11.5.1950 gibt Hans Meiser den Beschluss der Berliner Synode der EKD weiter. Dort heißt es: „Wir bitten alle Christen, sich von jedem Antisemitismus loszusagen und ihm, wo er sich regt, mit Ernst zu widerstehen, und den Juden und Judenchristen in brüderlichem Geist zu begegnen. Wir bitten die christlichen Gemeinden, jüdische Friedhöfe innerhalb ihres Bereiches, sofern sie unbetreut sind, in ihren Schutz zu nehmen.“ Diese Passage bitte auch an das Ende des Antisemitismusabschnitts in „Wesen und Wirken“, als eigener Abschnitt nach DOKUMENTE. Entgegen seiner 1926 in dem o.g. Artikel geäußerten antijüdischen Darlegungen hat Meiser gerade während des Dritten Reiches aus christlicher Verantwortung zu den Juden gestanden. Oberarchivrat Werner Jürgensen vom Landeskirchlichen Archiv in Nürnberg, einer der besten Kenner der Materie, hat herausgefunden, dass sich Meiser vom Evangelischen Pressedienst in Berlin einschlägiges Material hatte kommen lassen, dessen Terminologie er dann für die negativen Passagen des Artikels übernahm. Im Mai 2006 tauchten im Landeskirchlichen Archiv in Nürnberg zwei Dokumente auf, die Hans Meiser von dem Vorwurf des Antisemitismus gänzlich entlasten. Sie seien hier in ihrem Wortlaut wiedergegeben (die Ansicht der Originale findet sich in der Rubrik „DOKUMENTE“: Am 16.2.1950 schreibt der Oberrabbiner von Bayern, Dr.Anton Ohrenstein, folgenden Glückunschbrief an Landesbischof Meiser:

Sehr geehrter Herr Landesbischof!

Es ist mir ein inneres Bedürfnis, Ihnen am heutigen Tage zu Ihrem 69.Geburtstage, meine besten Wünsche zu übermitteln. Möge der Allmächtige Gott Sie der Menschheit noch lange erhalten. ma In einer Zeit in der die Welt so arm ist an wirklichen Persönlichkeiten, empfindet man es ganz besonders, wenn man einer solchen Persönlichkeit wie Ihnen, begegnet. Ich hatte nun das Glück und bin dem Schicksal für diese Fügung besonders dankbar. Indem ich Ihnen nochmals, sowohl im Namen meiner Gemeinden wie in meinem persönlichen, alles Gute zu Ihrem Festtage wünsche, bin ich mit besten Grüßen Ihr sehr ergebener (folgt Unterschrift: Ohrenstein)

Am 21.2.1950 antwortet Hans Meiser:

Sehr zu verehrender Herr Oberrabbiner!

Sie haben mir zu meinem Geburtstag mit so freundlichen Worten gratuliert und mir eine so prachtvolle Blumengabe übersandt, dass es mir ein aufrichtiges Bedürfnis ist, Ihnen dafür von ganzem Herzen zu danken. Ich sehe es nach wie vor als meine Aufgabe an, an der Überbrückung der Kluft zwischen den Anhängern des christlichen und des jüdischen Glaubens, die wir als Erbe einer bösen Vergangenheit überkommen haben, nach Kräften mitzuarbeiten, und ich danke es Ihnen, dass meine diesbezüglichen Bemühungen bei Ihnen einen so starken Widerhall finden. Mit freundlicher Begrüßung Ihr (folgt Unterschrift: D.Meiser) [D.steht für den theologischen Doktortitel]

Es ist wohl einmalig in der Geschichte, dass ein und dieselbe Person zunächst von den Nazis als „Judenknecht“ verhöhnt und verfolgt wird, wohingegen man sie 70 Jahre später im selben, mittlerweile demokratischen Land, des Antisemitismus anklagt, obwohl nachweislich viele jüdische Leben gerettet wurden.

 „Hans Meiser und der Antisemitismus – Eine Chronologie“