Leben und Werk

(Die Verfasser wählten nachstehenden Text aus dem Jahre 1960 von Matthias Simon, weil dieser damit aufgrund seiner umfassenden und detaillierten Kenntnisse von Meisers Leben und Wirken eine Charakterstudie erstellte, die besonders geeignet ist, das Wesen des Landesbischofs zu erschließen.) Vgl. auch den tabellarischen Überblick: „Daten aus Meisers Leben“

Höher und zu viel umfassenderer Wirksamkeit als irgendein bayerischer Kirchenmann – und noch dazu unter so bewegten Umständen und Ereignissen, dass er dadurch eine Volkstümlichkeit erhielt, die geradezu an die Martin Luthers erinnerte, kam ein bayerischer Pfarrer, der aus Familien stammte, in denen das Pfarramt durchaus nicht zur Herkömmlichkeit gehörte – Hans Oswald Meiser. Wie der Leiter der bayerischen Landeskirche in der kritischsten Zeit des vorigen Jahrhunderts – Adolf Harleß – stammte auch er, der Führer in der schweren Zeit des Abwehrkampfes der Kirche gegen die nationalsozialistische Vergewaltigung, aus Nürnberg. Er wurde hier am 16. Februar 1881 als ältester Sohn des Kaufmanns Georg Meiser und seiner Ehefrau Betty, geb. Munker in der Pfarrei St. Johannis geboren. Die Mutter entstammte einer aus Betzenstein nach Nürnberg gekommenen Kaufmannsfamilie [richtig: aus einem bäuerlichen Geschlecht, ansässig in der Gegend von Heroldsberg, G.M.] Der Vater, Bezirksgeometerssohn, war kaufmännischer Buchhalter und als solcher in mancherlei Vereinen als ehrenamtlicher Kassier begehrt und tätig. Wenigstens ebenso sehr als die ganze Gestalt seines Vaters übte dessen dadurch bedingte Beschäftigung in seiner Freizeit und in der Wohnung mit allerlei Rechnungsgeschäften Einfluss auf seinen ältesten Sohn aus. Die peinliche Genauigkeit in den äußerlichsten wie in den innerlichsten, den kleinsten wie den großzügigsten Arbeiten, die Meiser kennzeichnete, und sein sorgfältiges Abwägen jedes Für und Wider, ist hier erwachsen. Seine Gymnasialzeit verbrachte er am Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg, wobei sein späterer engerer Kollege, Simon Schöffel, in der Kampfzeit Landesbischof von Hamburg, sein ständiger Klassenkamerad war.

Persönliche Frömmigkeit, die Luft des elterlichen Hauses und die Beteiligung am kirchlichen Leben in der Stadt, schließlich noch ein innerlicher Religionsunterricht ließen für die Berufswahl auch das Theologiestudium in Erwägung ziehen. Die ganz nebenher gegebene Anregung eines Altphilologen einer anderen Schule führte die Entscheidung herbei. Ihr folgend, besuchte Meiser einmal Neuendettelsau, wo eben unter Hermann Bezzel Löhes Geist liturgischer Tiefe und barmherziger Liebe seine fruchtbare Ehe mit der klaren Kirchlichkeit der bayerischen Landeskirche eingegangen war. Was er dort sah, ließ den Entschluss, Pfarrer zu werden, zur Reife kommen. Bevor sich Meiser aber dem Fachstudium zuwandte, ging er zuerst ein Jahr nach München, um hier an einer großen Universität noch Einblick in die verschiedenen Wissenschaftsgebiete der philosophischen Fakultät zu gewinnen und vor allem Volkswirtschaft zu hören. Dann begann er sein engeres Fachstudium an der kleinen Universität Erlangen, um darauf noch einmal in Berlin ganz in die Weite zu schauen und sich schließlich in Halle noch einmal in die Tiefe führen zu lassen.

Von den Lehrern, zu deren Füßen er dabei saß, dachte er später in besonderer Dankbarkeit an den Erlanger Neutestamentler Theodor Zahn mit seiner fabelhaften Kenntnis der ältesten kirchlichen Literatur, des reformierten Theologen E. F. Karl Müller in Erlangen mit seinen geistvollen und tiefgründigen „Neutestamentlichen Bibelübungen“ und des Hallenser Theologen Martin Kähler mit seinem klaren Biblizismus, der eben deshalb nicht vom Buchstaben gefesselt wurde. Nachdem Meiser 1904 die theologische Aufnahmeprüfung in Ansbach bestanden hatte, erfüllte er seine Militärpflicht beim 14. Infanterieregiment in Nürnberg, wobei er als Unteroffizier im Sanitätsdienst entlassen wurde.

Im Herbst 1905 übernahm er ein Privatvikariat bei Dekan Trenkle in Weiden. Dazu wurde er am 12. Dezember in Bayreuth durch Konsistorialrat Beck ordiniert. Vor allen Dingen mühte er sich hier mit großem Eifer, aber mit nicht minder großem Geschick und Erfolg um den Religionsunterricht. Sorgfältig bereitete er jede einzelne Stunde vor. 1908 wurde er auf das Exponierte Vikariat in Hassfurt gerufen. In dieser jungen Diasporagemeinde galt seine Arbeit besonders deren enger Zusammenführung und einem Kirchenbau. Im Februar 1910 wurde er als Hilfsgeistlicher nach Würzburg geschickt. In den schwierigen Verhältnissen im Kreis der Geistlichen, die er dort antraf und die auf persönliche Unverträglichkeit wie auf die damals in Bayern aufgebrochene theologische Kluft zurückging, wusste er in besonders charaktervoller Weise einen Brückenpfeiler nach den verschiedensten Seiten hin zu bilden. Kaum aber war er dort heimisch, als er im Frühjahr 1911 aus diesem Dienst gerissen wurde.

Der Landesverein für Innere Mission sah sich vor völlig neue Aufgaben gestellt. Er war 1886 gegründet worden und hatte vor kurzem die Diakonenanstalt in Rummelsberg errichtet. Dass sein Vereinsgeistlicher Rektor in dieser Brüderanstalt geworden war, hatte die Arbeit etwas zum Stillstand gebracht. Jetzt forderte vor allen Dingen das staatliche Jugendfürsorgegesetz eine stärkere, das ganze Land umfassende Arbeit. Deshalb beschloss der Landesverein, in dem eben Dekan Boeckh in Schwabach den Vorsitz übernommen hatte, die Anstellung eines hauptamtlichen Vereinsgeistlichen. Die Stelle wurde ausgeschrieben, fand aber keine geeigneten Meldungen. Den Bemühungen des Vereinsvorstandes gelang es dann, den jungen Stadtvikar Meiser in Würzburg dafür ausfindig und schließlich auch zur Übernahme des Amtes willig zu machen. Beim 25-jährigen Jubiläum des Vereins erfolgte am 16. Juli seine Einführung in dieses Amt. Acht Tage darauf schloss er die Ehe mit Elisabeth Killinger, die nun sein Leben begleitete bis zu seinem Heimgang und ohne deren hingebende Liebe und tapfere Treue Hans Meiser nie hätte bewältigen können, was auf ihn als Aufgabe und Geschenk zukam.

Der Landesverein, der bis dahin – und äußerlich rechtlich gesehen auch weiterhin noch für Jahrzehnte – nur ein Verein unter vielen anderen ähnlichen in Bayern war, wollte damals seine ersten Schritte unternehmen zur leitenden und führenden Zusammenfassung der ganzen freien Liebestätigkeit in der Landeskirche. Das kirchliche Leben in dieser und besonders in Meisers Vaterstadt aber war, als er in sie zurückkehrte, zutiefst aufgewühlt von der Auseinandersetzung zwischen dem unter den hinreißenden Predigten Christian Geyers und Friedrich Rittelsmeyers aufkommenden „Freien Protestantismus“ – der allerdings von dem sonst in Deutschland und der Welt üblichen ganz grundsätzlich verschieden war – und den Freunden des alten Bekenntnisses, die dieses dadurch gefährdet sahen. Geyer hatte darüber den Vorsitz des Landesvereins niedergelegt, ohne aber aus der Vorstandschaft auszuscheiden. Es ist bezeichnend für Meiser, dass er im Unterschied von den meisten seiner Altergenossen von diesem Streit unberührt blieb. Das war weniger Folge seiner neuen Stelle, die von ihm verlangte, dass er außerhalb jeder Partei nun stand, als vielmehr Mitursache für seine Berufung auf sie. Er war eine durchaus unproblematische Natur, die ganz auf die praktische Arbeit ausgerichtet war, und hatte seinen Standpunkt eingenommen. Der aber wurde durch diese Auseinandersetzungen kaum berührt.

Mit Meisers Dienstantritt beim Landesverein begann eine völlig neue Zeit für diesen und überhaupt eine neue Epoche der Inneren Mission in Bayern. Es fällt schwer, zu entscheiden, wem daran das Hauptverdienst zugesprochen werden muss – dem 1. Vorsitzenden, unter dem zu arbeiten nicht immer leicht war, oder dem jungen Vereinsgeistlichen, der mit brennendem Eifer und unermüdlichem Fleiß an die Arbeit ging. Daran aber gibt es keinen Zweifel: ohne Meisers ständigen Einsatz wäre nicht zustande gekommen, was erreicht wurde.

Er übernahm zunächst die Schriftleitung der „Blätter für Innere Mission“ und warb außerdem unermüdlich in Predigten und Vorträgen durch die ganze Landeskirche für sein Werk. Vor allen Dingen aber wurde nun eine Zentralstelle für evangelische Jugendfürsorge geschaffen. Außerdem wurden die verschiedenartigsten Zweige kirchlicher Jugendpflege, die ja bis dahin vorwiegend unter sozialen Gesichtspunkten arbeiteten, zu einem großen Werk zusammengefasst, das nun auch die Jugendarbeit als solche einschließlich des Kindergottesdienstes fördern sollte. In mühevoller Arbeit wurde eine große Statistik und Denkschrift darüber zusammengestellt. Als erstes Ergebnis genehmigte die Landeskirche 1913 zum ersten Mal eine, damals auch nur als einmalig gedachte Landeskirchenkollekte für Jugendpflege. 1914 wurde auch ein Lehrkurs für Jugendarbeit abgehalten, nachdem die Rummelsberger Diakonenanstalt schon die Ausbildung der Jugendpfleger in ihr Programm aufgenommen hatte. 1912 trat eine Evangelische Pressestelle in Tätigkeit. Dieses Jahr rief den Landesverein auch zu einer großzügigen apologetischen Arbeit. Mit Massenversammlungen wurde vor allem in Nürnberg zum Austritt aus der Kirche aufgefordert.

[Anmerkung der Herausgeber: Das Landeskirchliche Archiv Bayern teilt hierzu mit: „Hier haben wir das Nürnberger Gemeindeblatt des Jahres 1912 (Signatur: Z 61 N Jg. 1912) durchgesehen, in dem Berichte über die Verteilung von 40000 Flugblättern mit einem Aufruf zum Kirchenaustritt und über eine Massenveranstaltung im Oktober 1912 enthalten sind. Als Organisator dieser Aktion wird das Kommittee „Konfessionslos“ genannt. Welche Personen sich hinter dieser Gruppe verbergen, geht aus den von Kirchenrat Boeckh verfassten Berichten (S. 546-548, 576-578, 660-661) zwar nicht hervor, an anderer Stelle wird aber vor antikirchlichen Tendenzen der Sozialdemokratischen Partei und des Monistenbundes (Freidenker) gewarnt“.]

Meiser organisierte sofort mit sachkundigen und zugkräftigen Rednern entsprechende Abwehrversammlungen, von denen in Nürnberg sechs in den größten Versammlungsräumen der Stadt gehalten wurden.

Dieser überaus reichen, fruchtbaren Arbeit machte plötzlich der Krieg ein Ende. Meiser wurde sofort als Lazarettgeistlicher in die Front gerufen. Er war im Feldlazarett des 3. bayerischen Armeekorps in Frankreich tätig. Da keine Aussicht bestand, für die Arbeit des Landesvereins freizukommen, räumte er diese Stelle einem militärischen Mann. Er selbst meldete sich erfolgreich auf die 3. Pfarrstelle in München – St. Matthäus und trat sie im Januar 1915 an. Der Altersunterschied zwischen ihm und dem bisher jüngsten Pfarrer in München war so erheblich, dass der Dekan bei Meisers Installation sich das Wort wählte: „Niemand verachte deine Jugend!“ In diese Versuchung wäre aber auch ohnedies niemand gekommen.

Meisers Sprengel war der Westen der Matthäusgemeine – ein Stadtviertel, in dem größtenteils Arbeiter in engen Mietskasernen wohnten. Es war ein strenger Dienst, in den er hier trat. Der „Dotschenwinter“ musste in einer solchen Gemeinde durchgestanden werden. Auch in der Großstadt fiel recht oft den Pfarrern die Aufgabe zu, die Nachricht vom Tod eines Sohnes oder Familienvaters in die Familie zu bringen. Selbst wenn es Meiser bei seiner ganzen kirchlichen Einstellung nahegelegen hätte, hier wäre es unmöglich gewesen, die Fahne nationaler Begeisterung so flattern zu lassen, wie es damals anderwärts in München geschah. Auch war er dort gleich über den Raum seines eigenen Pfarrsprengels hinaus tätig. Zu seinen ersten Arbeiten gehörte die Schaffung einer „Evangelischen Jugendhilfe“ für München und Umgebung.

Eine ernste Frage, die gerade damals den Lebensweg Meisers in eine andere Richtung hätte bringen können, trat 1918 an ihn heran. Als die Stelle des Rektors von Neuendettelsau neu zu besetzen war, wurde er dort in die engere Wahl gezogen. Das Erbe Wilhelm Löhes wäre unter ihm zwar gewiss nicht schlechter gefahren, als unter dem Mann, der es dann über 30 Jahre lang in vorzüglicher Weise ausbaute und gestaltete. Aber ob die Weiche zur kirchenregimentlichen Tätigkeit, in der Meiser dann zur Vollendung gelangte, noch einmal gestellt worden wäre, mag fraglich erscheinen. Doch bat er selbst nachdrücklich, von seiner Wahl abzusehen, vor allem weil er sowohl zur vereinsmäßigen Arbeit innerhalb der Kirche als zur Arbeit der Gemeinschaften eine grundsätzlich andere Stellung einnehme als damals Neuendettelsau. So blieb er in München.

Als mit dem Zusammenbruch des Königstums auch die Verfassung der evangelischen Kirche zerging, war es wegen seiner ganzen Haltung gerade Meiser, der einem Minister der Revolutionsregierung die Lage, Bedürfnisse und Wünsche der evangelischen Kirche darlegen konnte. Trotzdem – oder vielleicht gerade weil er eben als lebendiger Gegenbeweis gegen das Bild von „Pfaffen“, wie es damals in den Hetzreden gemalt wurde, dastand – wurde aber auch ausgerechnet er das Opfer der kirchenfeindlichen Leidenschaft, die sich beim Zusammenbruch auslebte. Vor Ostern 1919 wurde in München die Räteregierung ausgerufen, vor der die rechtmäßige Regierung fliehen musste. Neben zahllosen anderen willkürlichen Verhaftungen wurde am Osterdienstag vor Tagesanbruch Pfarrer Meiser aus dem Bett gerissen und erst in eine Schule und dann auf eine Polizeiwache gebracht, wo eine Reihe von Gefangenen in einer kleinen Zelle so eng zusammengepfercht war, dass sie kaum stehen konnten. Während Bitten des Oberkonsistoriums selbstverständlich wirkungslos bleiben mussten, erreichte seine Gemeindeschwester von der Frau des Führers dieser Gruppe in dessen Abwesenheit einen Freilassungsauftrag und mit diesem die Entlassung ihres Pfarrers. Zahlreiche, in gleicher Weise verhaftete Männer und Frauen wurden acht Tage später im Luitpoldgymnasium niedergemetzelt.

Als die verfassungsgebende Generalsynode gebildet wurde, wählte ihn – einen 3. Pfarrer – der Dekanatsbezirk München zu einem seiner beiden geistlichen Abgeordneten. Hier forderte er unter anderem das episkopale System mit Generaldekanaten, um Raum zu schaffen „für die Entfaltung starker, geistesmächtiger Persönlichkeiten in den leitenden Stellungen“. Ohne es zu ahnen, half Meiser damit, die verfassungsrechtlichen Grundlagen für seine spätere Tätigkeit und Bedeutung in der bayerischen Kirche schaffen.

Inzwischen wurde in München die Pfarrei Sendling errichtet und Meiser 1920 auf sie gesetzt. Er konnte hier den Umbau einer Vergnügungsstätte in die große Himmelfahrtskirche vollenden.

Nach der völligen Verselbständigung der Landeskirche infolge der Staatsverfassung von 1919 konnte diese nun in voller Freiheit notwendig gewordene Aufgaben durchführen. Dazu gehörte vor allen Dingen die Errichtung eines Predigerseminars, in dem die von der Universität kommenden Kandidaten in die praktischen Aufgaben ihres Berufes eingeführt werden sollten. Als sein Sitz wurde Nürnberg gewählt. Meiser wurde sein erster Direktor. Seinem pädagogischen Geschick und seiner väterlichen Freundlichkeit, die sich auch – und das bis in die Tage, da er leitender Bischof der Vereinigten evangelisch-lutherischen Kirche war – in echter Amtsbrüderlichkeit dem jüngsten Diener am Worte Gottes verbunden wusste, gelang es, der nicht überall mit gleicher Begeisterung betrachteten Neueinrichtung volles Vertrauen und dankbare Liebe zu wecken – nicht zum wenigsten bei denen, die das Haus als Kandidaten bewohnten.

Seine Aufgeschlossenheit für die Gegenwartsaufgaben der Kirche zeigte sich jetzt auch darin, dass er mit seinen Kandidaten jedes Jahr eines der großen Industriewerke Nürnbergs besuchte, um ihnen Einblick in die Arbeitswelt ihrer künftigen Gemeindeglieder zu vermitteln. Eine äußere Möglichkeit, die dieses Predigerseminar bot, nützte Meiser zu einer ganz neuartigen Arbeit aus. Zusammen mit dem Verein für bayerische Kirchengeschichte schuf er hier eine „Sammelstelle für landeskirchliches Schrifttum“, in der er alles zu vereinen suchte, was nur irgendwie an gedrucktem oder geschriebenem Stoff aus der bayerischen Landeskirche hervorgegangen war oder sich mit ihr beschäftigte. Als 1928 Oberkirchenrat Boeckh, Meisers einstiger Vorstand im Landesverein für Innere Mission in den Ruhestand trat, wurde Meiser zu seinem Nachfolger ernannt. Er übernahm dabei vor allem das Referat über das Schulwesen und die Innere Mission. Im Schulwesen bemühte er sich ganz besonders darum, wie es schon sein Vorgänger getan hatte, von sich aus aus der Pfarrschaft Männer auszuwählen, die für diese Arbeit in besonderer Weise geeignet waren. Außerdem führte er die gleichfalls bereits begonnene Umgestaltung von Lehrbüchern für den Religionsunterricht mit besonderem Erfolg weiter. 1933 erschien auch ein neuer Lehrplan für die Volksschule.
Wenn es auch nicht zu den Gegenständen seines Referates gehörte, so war er doch besonders stark beteiligt daran, dass 1931 die von ihm begonnene „Sammelstelle“ ein Landeskirchliches Archiv zur Seite bekam, das von vornherein nicht nur als Aktenaufbewahrungsort, sondern als wissenschaftliches Institut gedacht war.

1933 rief ihn der politische Umsturz zu noch höheren Aufgaben. Der schon im 72. Lebensjahr stehende Kirchenpräsident Veit wollte die mit aller Klarheit vorausgesehenen ernsten Auseinandersetzungen mit der zur Herrschaft gelangten nationalsozialistischen Partei nicht mehr übernehmen. Die zu diesem Zwecke einberufene Landessynode wählte am 4. Mai das jüngste Mitglied des Landeskirchenrats, Hans Meiser, zu seinem Nachfolger. Um den kirchlichen Charakter seines Amtes jederzeit ganz deutlich in Erscheinung treten zu lassen, erhielt er die Amtsbezeichnung Landesbischof. Außerdem – also nicht in innerem Zusammenhang mit dieser Änderung – verlieh ihm – gleichfalls im Blick auf das, was zu erwarten stand – die Landessynode gesetzgeberische Vollmachten, die sogar verfassungsändernden Charakter tragen konnten. Noch nie hat ein evangelischer Bischof eine solche Vollmacht besessen. Noch größer freilich als diese verfassungsrechtliche Stellung, die er dadurch erhielt, war die persönliche Vollmacht, die er vor allem durch seine klare und feste Haltung im Kirchenkampf auswies.

Obwohl der Landesbischof so außerordentliche Befugnisse in der Kirche besaß, blieb er innerhalb des Landeskirchenrates nach der Verfassung lediglich primus inter pares – Vorsitzender neben gleichberechtigten Mitgliedern. Er hätte auch hier ohne weiteres eine Änderung eintreten lassen können. Er wollte es nicht. Im Gegenteil: er ließ sich bei der Neuernennung von Mitgliedern solche holen, die bestimmte, geradezu gegensätzliche Richtungen in der Landeskirche vertraten. Dabei gelang es ihm – wie er ja zur Leitung von Sitzungen überhaupt ein ganz besonderes Geschick besaß – stets, eine reibungslose, gewinnbringende Zusammenarbeit für die ganze Kirche herbeizuführen.

Nach einer kurzen Übergangszeit, in der sich der Nationalsozialismus durch Einführung von Schulgebeten und anderem religiös tarnte und in der am 11. Juni die Amtseinführung Meisers unter glänzender Beteiligung von Staat und Partei in der Lorenzkirche in Nürnberg gefeiert wurde, begann – durch Hitler persönlich eingeleitet – der Kampf gegen die evangelische Kirche durch Begünstigung der Partei der Deutschen Christen. Als sich diese im November 1933 bei einer Berliner Kundgebung in ihrer inneren Hohlheit entlarvte, hat Meiser als erster deutscher Kirchenführer bereits am nächsten Tag in aller Öffentlichkeit schärfste Verwahrung gegen einen solchen Geist eingelegt. Nicht weniger deutlich verwahrte er sich gegen die Eingliederung der evangelischen Jugend in die Staatsjugend. Damit war die Kluft zwischen dem von Hitler bestimmten und gehaltenen Reichsbischof, dem Meiser selbst zunächst in der Absicht, dem Staate ja alles zu geben, was er irgend fordern konnte, aber freilich auch in verhängnisvoller Gutgläubigkeit, seine Stimme gegeben hatte, und der „Bekennenden Kirche“ aufgebrochen.

Eine mit verwirrender Dramatik geladene Aussprache vor Hitler führte zunächst zwar noch einmal zum Versuch einer Zusammenarbeit mit dem Reichsbischof. Am 13. März 1934 aber musste Meiser zusammen mit Landesbischof Wurm von Württemberg dem tobenden Führer persönlich erklären, dass sie im Gegensatz zu seinem Reichsbischof stehen müssten. Dieser vollzog nun mit Unterstützung von Staat und Partei die „Eingliederung“ der einzelnen Landeskirchen. Als das am 3. September auf schriftlichem Wege auch für Bayern geschah, sprach Meiser ein schneidend-scharfes „Nein!“
Die „Fränkische Tageszeitung“ in Nürnberg goß darauf Schmutzkübel über ihn aus. Die Wirkung war so, dass Hitlers Polizei selbst das Blatt ihrer Partei beschlagnahmte. Nun aber verbreitete die Kirche diese Veröffentlichung. Sie entfachte damit einen Sturm der Entrüstung und Empörung bis tief ins nationalsozialistische Lager. So wurde es ein einzigartiger Triumphzug, als Meiser persönlich in der ganzen Landeskirche Bekenntnisgottesdienst abhielt – in München und Nürnberg, der Höhle des Löwen, (die drei größten Kirchen fassten an diesem Abend nicht die ungeheuren Mengen), beginnend und in Lindau und Schweinfurt endend.

Trotzdem erschien am 11. Oktober ein Beauftragter des Reichsbischofs in München, um die gesamte Kirchenleitung zu entlassen und eine neue einzusetzen. Meiser, der von diesem streng geheim vorbereiteten Plan erfahren hatte, begab sich zunächst nach auswärts, kehrte aber nach seiner Durchführung sofort heimlich nach München zurück, um hier bei einem rasch angesetzten Bekenntnisgottesdienst in der überfüllten Matthäuskirche aufs schärfste gegen dieses Vorgehen zu protestieren: „Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten“. Von der jubelnden Menge geleitet begab er sich dann in seine Wohnung in seinem Dienstgebäude, wo ihn die Haft erwartete. Die Antwort der Gemeine im ganzen Land – sie besuchte ihren gefangenen Bischof unter anderem mit Sonderzügen! – führte nach 14 Tagen zu einem Empfang Meisers durch Hitler und zur vollen Übernahme der Amtsgeschäfte durch den früheren Landeskirchenrat. Die evangelische Kirche Bayerns hatte gezeigt, dass ein Eingriff in ihre Selbständigkeit nur mit Waffengewalt möglich sein würde. Staat und Partei verzichteten deshalb weiterhin darauf. Hitler hatte vor der Gemeinde kapituliert.

Dafür wurde dann 1938 die erst neu wiederhergestellte Mutterkirche Münchens, die Matthäuskirche, niedergerissen. Es geschah unter einem lächerlichen Vorwand, aber doch auch unter Versprechungen, die es dem staatstreuen Lutheraner unmöglich machte, zum Kampf dagegen aufzurufen.
Schon vor Beginn des äußeren Kirchenkampfes hatte sich Meiser um die klare innere Ausrichtung seiner ganzen Kirche gemüht. Er hatte – zunächst auch, um die sich anfangs durch die religionsfreundliche Maske des Nationalsozialismus scheinbar bietende Möglichkeit auszunützen – ein volksmissionsarisches Amt errichtet. Weiterhin wirkte er durch klare Kundgebungen im kirchlichen Amtsblatt, durch Schulungskurse und Arbeitsgemeinschaften von Geistlichen für eine eindeutig bekenntnismäßige Haltung seiner Kirche.
Der Kirchenkampf brachte den früheren Vereinsgeistlichen noch einmal in besonders enge Verbindung mit den Männern der Inneren Mission. Als die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt ihre begehrlichen Finger nach diesen Werken ausstreckte, unterstellten sie – die ja an sich rechtlich mit der Kirche in keiner äußeren Verbindung standen – sich alle dem Landesbischof und einem von diesem berufenen Landesführer der Inneren Mission.

Den so immer geschlossener werdenden Block der bayerischen Kirche setzte Meiser dann nachdrücklich ein zur Unterstützung der durch deutsch-christliche Kirchenleitungen zerstörten Kirchen in Mittel- und Norddeutschland. Freilich gelang es ihm nicht, dabei zu einer vollen, ungehemmten Arbeitsgemeinschaft mit der ganzen Bekennenden Kirche in Deutschland zu kommen. Ein großer Teil – vor allen Dingen die preußische Landeskirche – stand ohne ein eindeutiges kirchliches Bekenntnis auf dem Boden der Union, einer Vereinigung der reformierten und der lutherischen Haltung. Für Meiser aber gab es der bayerischen Tradition entsprechend eine Kirche nur mit klarem Bekenntnis. Deshalb hatte er schon im Mai 1933 zur Anbahnung einer einheitlichen deutschen evangelischen Kirche in Würzburg einen engen Zusammenschluss aller deutschen lutherischen Kirchen angeregt und erreicht. Zum Vorstand eines Direktoriums dieser Kirche wurde er gewählt.

Auch die im Juli 1933 zustande gekommene Deutsche Evangelische Kirche beruhte auf der Selbständigkeit ihrer Gliedkirchen im Bekenntnis. Trotzdem hemmte die verschiedene Stellung zu dieser Frage auch innerhalb der „Bekennenden Kirche“ die volle Geschlossenheit. Neben diesem Unterschied in der Stellung zum Bekenntnis machte sich freilich auch noch die verschiedene Lage dieser Kirche in den „zerstörten“ und „intakten“ (unter ihrer selbständigen Kirchenleitung stehenden) Kirchen sehr stark geltend, zumal dieser Unterschied ja wesentlich auch darauf zurückging, inwieweit die Gemeinden einsatzfreudig und opferwillig zu ihrer Leitung standen. Das offenbarte sich besonders, wenn es sich um Maßnahmen des Staates handelte, die nicht unmittelbar das Bekenntnis betrafen.

Um so enger wurde die Zusammenarbeit Meisers mit den lutherischen Kirchen, vor allen Dingen den Bischöfen Marahrens in Hannover und Wurm in Württemberg. Das lose Direktorium von 1933, das über den Stürmen der nächsten Zeit bedeutungslos geworden war, wurde 1936 auf Meisers Drängen zu einem Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands weitergebildet. Als Vorsitzender in Berlin stellte er einen seiner Oberkirchenräte zu Verfügung, bis er 1938 selbst diesen Vorsitz übernahm. In den weiteren Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit Staat und Partei und auch in den Protesten gegen die Massenmorde an Juden und Geistesschwachen trat er selbst neben seinen beiden vornehmsten Bundesgenossen, da diese dienstälter waren als er und nun vorwiegend auf schriftlichem Wege und ganz formalrechtlich gehandelt werden musste, weniger in Erscheinung. Seine persönliche Stellung und die vor allen Dingen durch seine Persönlichkeit geschaffene unerschütterliche Haltung seiner Kirche waren aber der festeste Untergrund aller etwa auch von diesen allein unterschriebenen Denkschriften.

In geradezu unvorstellbarer Weise wuchs in dieser Kampf- und Rüstzeit die Predigttätigkeit des Landesbischofs. Sie war kaum geringer als die eines Geistlichen, der in seiner Gemeinde der einzige Pfarrer war. Dabei ließ er sich fast nie dazu herbei, an einem anderen Ort eine früher gehaltene Predigt zu wiederholen. Die Ausarbeitung dieser Predigten war ein Stück seiner ganz persönlichen Andacht. Er war kein Volksredner, der die Massen begeistern wollte, wollte das auch am wenigsten sein. Er sprach stets ruhig und sachlich und benutzte nie den Predigttext lediglich als Vorwand zur kirchenpolitischen Ausführungen. Immer führte er die Gemeinde in das Geheimnis des jeweiligen Bibelwortes ein und ließ dieses lebendig und eindringlich reden. Zur Veröffentlichung seiner Predigten gab er die Genehmigung nur selten und stets schweren Herzens. Selbst gab er keine seiner Predigten zur Veröffentlichung.

Das gleiche gilt von Vorträgen, die er hin und wieder hielt. Neben seine Predigttätigkeit trat eine ausgedehnte Arbeit auf Pfarrerkonferenzen und Kirchentagen, bei denen er planmäßig den ganzen Bereich der Landeskirche zu erfassen suchte. Vielfach begleitete ihn dabei seine Gattin, die sich dann in ihrer mütterlichen Art den Frauenkreisen bzw. Pfarrfrauen widmete. Diese Arbeit setzte er auch fort, als die zunehmende Zerstörung der Verkehrsmittel sie zu einer ungewöhnlichen Anstrengung machte und er nicht mehr anders von Ort zu Ort kommen konnte als im Eisenbahnzug eingekeilt zwischen dichten Menschenmassen stehend.
Diese Tätigkeit vermehrte nun noch etwas, was eigentlich schon mit der Verleihung der Amtsbezeichnung „Bischof“ entstanden war. Für das Kirchenvolk hatte dadurch die Spitze der Landeskirche eine persönliche Färbung erhalten. Das äußerte sich sofort in einem starken Zustrom von Briefen aller Art an den Landesbischof. Es fand durch dessen Predigten neue Nahrung. Solche Briefe konnte der Bischof nicht an den Landeskirchenrat weiterleiten; an diesen waren sie ja nicht gerichtet worden. Er musste sie persönlich lesen und beantworten. Welche Arbeit tat sich damit auf! Alte Weiblein, die kaum schreiben konnten, und Ehefrauen von Reichsministern, geniale Universitätsprofessoren und geistesgestörte „Wunderapostel“ kamen mit ihren Anliegen. Niederträchtige Beleidigungen und herzerquickende Treuebekundungen wechselten ab. Alles kostete Kraft und beanspruchte Zeit.

Trotzdem erweiterte Meiser seine seelsorgerliche Arbeit noch ungemein in persönlichen Aussprachen. Es war selbstverständlich, dass zu ihm in seine Diensträume nicht nur Besucher kamen, die ausschließlich kirchliche Fragen vorbringen wollten, sondern auch Menschen, die persönlich Rat und Zuspruch suchten. Um auch solchen, die ihn dazu nicht eigens in München aufsuchen konnten, Gelegenheit zu einer persönlichen Aussprache zu geben, errichtete Meiser Sprechtage. Das geschah zunächst in Nürnberg, dann auch in anderen Teilen Bayerns. Sie wurden vorher öffentlich bekannt gegeben und außerordentlich stark benützt. Bis zu dreißig und mehr Besucher meldeten sich für die einzelnen Tage an. Abgesehen von dem Dienst, den er damit den einzelnen Gliedern seiner Kirche leistete, vermied er selbst die Gefahr, vom „Grünen Tisch“ aus zu reden, zu urteilen und zu handeln.

Auch der Krieg unterbrach die von Meiser begonnene klare Führung seiner Kirche in allen ihren Teilen und Gliedern trotz aller Erschwerungen nur sehr wenig. Als der Staat – um die Kirche entscheidend zu treffen – seine Mitwirkung an der Einhebung der Kirchensteuern aufgab, gelang es sogar, in der Zeit größten Personal- und Materialmangels, gut arbeitende Kirchensteuerämter einzurichten.
Mit tiefem Schmerz erfüllten den Landesbischof, der ja bald in jeder Kirche seines Landes bereits gepredigt hatte, die Zerstörungen so vieler Gotteshäuser, vor allem auch der alten Nürnberger Kirchen durch Luftangriffe. In solchen Fällen waren oft die Brände noch nicht gelöscht, als er bereits persönlich die betroffene Gemeinde besuchte.

Dabei war er auch selbst und in seinem engsten Kreise von der Kriegsnot umwittert. Er wohnte in der Mitte Münchens. Seine beiden Söhne standen im Feld, durften aber wieder zurückkehren, wenn auch der eine erst 1948. Fliegerbomben begruben in München einen der Brüder des Landesbischofs samt Frau und Tochter. 1944 wurden auch das Dienstgebäude des Landeskirchenrats und vor allem die Dienstwohnung des Landesbischofs schwer beschädigt. Die Kirchenleitung musste nach Ansbach übersiedeln, wo dann 1945 das Dienstgebäude durch einen Volltreffer restlos vernichtet wurde.

Der Zusammenbruch des Hitlerstaates und der Einmarsch der Amerikaner stellten Meiser vor ganz neue große Aufgaben. Zu ihnen gehörte vor allem die Schaffung einer neuen Verfassung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dafür war Meiser sofort tätig. Es geschah zunächst dadurch, dass ein „Hilfswerk der Evangelischen Kirche“ geschaffen wurde. Bei der Stellung, die Meiser noch aus der Kirchenkampfzeit her in der bayerischen Inneren Mission innehatte, war es ihm, dem Drange seines Herzens folgend, ein Leichtes, das hier so zu tun, dass besonders bald und erfolgreich gearbeitet werden konnte. 1948 konnte die neue Verfassung der „Evangelischen Kirche in Deutschland“ verkündet werden. Gleichzeitig aber setzte er seine Bemühungen um den Zusammenschluss der lutherischen Kirche in Deutschland fort. Die Frage nach der Zugehörigkeit der bayerischen Kirche zu der einen oder anderen oder zu beiden Vereinigungen war innerhalb ihrer Pfarrer und Gemeinden heiß umstritten. Es war Meisers ganz persönlicher Einsatz in zahlreichen Aussprachen mit der gesamten bayerischen Pfarrerschaft, der die Entscheidung in diesem seinem Sinne einer Doppelzugehörigkeit treffen ließ.

Als am 8. Juli 1948 die Bildung der „Vereinigten evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands“ erfolgte, gehörte zu den zehn deutschen Landeskirchen mit zusammen fast 12 Millionen Seelen, die sie bildeten, auch Bayern. Es war nicht mehr als selbstverständlich, dass sie Meiser zu ihrem Leitenden Bischof wählte. Aber ebenso schloss sich bald darauf die bayerische Landeskirche der Evangelischen Kirche in Deutschland an.
In Bayern selbst stellte zunächst der Zustrom evangelischer Menschenmassen – noch dazu vor allen Dingen in bisher von evangelischen Gemeinden nur sehr locker erfasste Gebiete – ungeheure Aufgaben. Trotz des vor allem durch die Kriegsverluste verursachten großen Mangels an Geistlichen mussten viele Hunderte von neuen Seelsorgerstellen geschaffen werden. In schönster Weise zeigte sich hier eine in der Zeit der gemeinsamen Abwehr gegen die nationalsozialistischen Einbrüche geborene Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Meiser stellte seine Kirchen für Gottesdienste katholischer Flüchtlingsgemeinden zur Verfügung und durfte ebenso in zahllosen katholischen Kirchen Gottesdienst für evangelische Heimatvertriebene halten lassen. Die gleiche Zusammenarbeit – vor allem mit Kardinal Faulhaber in München – wurde wiederholt möglich, wo es sich um Schritte gegen Ungerechtigkeiten der Besatzungsmächte handelte. So wenig er gegen nationalsozialistisches Unrecht geschwiegen hatte, so wenig war Meiser hier gesonnen, seinen Mund nicht aufzutun für die Stummen und alle, die Unrecht leiden.

Nachdem Meiser schon 1936 während des Kirchenkampfes einmal als Mitglied des Exekutivausschusses des Lutherischen Weltkonvents in Amerika geweilt und die Verbindungen zwischen deutschen und amerikanischen lutherischen Kirchen gepflegt und gefestigt hatte, reiste er 1948 als Gast der Missourisynode noch einmal dorthin, um für die reiche Hilfe, die amerikanische Lutheraner zum deutschen Wiederaufbau leisteten, zu danken und die Eingliederung der Vereinigten lutherischen Kirche in Deutschland in den Lutherischen Weltbund vorzubereiten. Der Eindruck, den er dabei auf die amerikanische Öffentlichkeit machte, spiegelte sich dann wieder, als ihm zum 70. Geburtstag die staatliche Capitol-Universität von Columbus den Grad eine Doctors of Divinity verlieh. (Mit der entsprechenden Würde eines deutschen theologischen Ehrendoktors hatte ihn bereits 1930 zur 300. Wiederkehr der Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses Erlangen ausgezeichnet.) Diese enge Zusammenarbeit gerade mit dem außerbayerischen Luthertum war Meisers besondere Freude in der Nachkriegszeit.

Nach dem Zusammenbruch und sobald die unmittelbare Kirchenleitung ihm auch nur einigermaßen dazu Zeit ließ, begann er auch wieder seine unermüdliche persönliche Tätigkeit in ganzen Land. Er besuchte die Notunterkünfte der Heimatvertriebenen in der Diaspora in planmäßigen Reisen durch Unterfranken, Niederbayern und Oberpfalz und die Gefangenenlager der verschiedensten Art, wie er etwa am Heiligen Abend 1949 einen Weihnachtsgottesdienst im Gefängnis in Landsberg am Lech hielt, wo die mit den höchsten Strafen bedrohten Gefangenen der Besatzungsmächte untergebracht waren. Dann aber durfte er auch zur Wiederingebrauchnahme zerstörter Kirchen oder zur Weihe neuer Gotteshäuser kommen, so vor allen Dingen zu St. Lorenz in Nürnberg. Eine besondere Genugtuung war es ihm, dass er 1955 auch die Festpredigt in der für die niedergerissene Matthäuskirche in München neu erbauten Kirche halten durfte.

Daneben gab es andere Aufbauarbeit in Fülle. Für die aus mehr oder weniger langer Wehrdienstzeit oder Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Geistlichen und Kandidaten richtete er 1946 ein Pastoralkolleg in Neuendettelsau ein. Es wurde zu einer Dauereinrichtung. 1947 folgte ihm als die erste von einer evangelischen Kirche selbst errichtete theologische Hochschule die Augustana-Hochschule, gleichfalls in Neuendettelsau. Neben äußeren Gründen waren dafür vor allem auch innere maßgebend. Dabei war in keiner Weise ein Wettbewerbsunternehmen oder gar eine Ersatzeinrichtung für die theologische Fakultät in Erlangen gemeint, sondern lediglich an eine Ergänzung gedacht. Zur kirchlichen Verarbeitung all der durch die Nachkriegsverhältnisse aufbrechenden religiösen und praktischen Fragen wurde ein Freizeitheim in Tutzing geschaffen, das 1950 zur evangelischen Akademie wurde. Eine vor allen Dingen für die Bauernschaft bestimmte Volkshochschule wurde gleichzeitig auf dem Hesselberg errichtet. Ihnen trat zuerst das Amt eines Sozialpfarrers und 1955 ein Arbeiterseminar in Schweinfurt an die Seite. 1953 wurde zur Förderung der Jugendunterweisung in allen ihren Zweigen ein Katechetisches Amt in Heilsbronn geschaffen; 1954 konnte in Bayreuth eine Kirchenmusikschule ins Leben gerufen und ein zweites Predigerseminar errichtet werden. Ein ganz persönliches Werk des Landesbischofs – sein letztes – wurde schließlich noch der Neubau eines Landeskirchlichen Archivs.

Trotz einer bis dahin noch von keinem bayerischen Kirchenführer auch nur im entferntesten geforderten unaufhörlichen Reife- und Predigttätigkeit durfte sich Meiser stets einer erstaunlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit erfreuen. Sie waren nur selten vorübergehend geschwächt. Dennoch wollte er nach Vollendung des 74. Lebensjahres einer jüngeren Kraft den Weg freimachen. In ungebrochener Rüstigkeit trat er am 1. Mai in den Ruhestand. Er wollte ihn auch dazu benützen, seine reichen Erinnerungen an die Kirchenkampfzeit und alle Verhandlungen niederzuschreiben, die zur Entstehung sowohl der Vereinigten Evangelischen-Lutherischen Kirche wie der Evangelischen Kirche in Deutschland führten. Dazu hätte ihn nicht nur sein vorzügliches Gedächtnis, sondern vor allem der Umstand in ganz besonderem Maße befähigt, dass er jeweils sofort Aufzeichnungen gemacht hatte. Leider ging die darauf gesetzte Hoffnung nicht in Erfüllung. Bald nach der Ruhestandsversetzung brach seine Kraft in sich zusammen. Unmittelbar vor seinem 75. Geburtstag, an dem ihm Kirche und Welt in besonderer Weise ihren Dank und ihre Verehrung aussprechen wollten, überfiel ihn eine schwere Krankheit, die am 8. Juni 1956 zum Tode führte. Überwältigend kam bei seiner Beisetzung im Johannisfriedhof seiner Vaterstadt zum Ausdruck, mit welcher Liebe seine Kirche an ihm hing und wie allgemein und tief die Trauer um ihn war. Es waren nicht bloß menschliche, natürliche Gefühle, die da lebendig wurden. In Meiser war ein Mann heimgegangen, der in prophetischer Größe auf der Kanzel und vor den Gewalthabern dieser Welt gestanden hatte. Ein Mann, dem man es abspürte, dass er ganz aus dem Gehorsam gegen den Auftrag, den Gott in seinem Heilswort gegeben hatte, lebte, aber auch aus der Fülle des Segens, der daraus strömt. Das war die Krone, die über seinem Haupte schwebte!