Ringen mit dem NS-Regime

1.) Die Einstellung des Staates zur Kirche (Werbung und Bekämpfung)
2.) Die Haltung Meisers gegenüber dem Staat (Loyalität und Protest)
3.) Der Kampf von Staat und Partei gegen Meiser
4.) Chronologie

Meisers Verhalten im Kirchenkampf während des „Dritten Reiches“ wird in der einschlägigen Literatur oft negativ beurteilt. Die Beziehungen zwischen ihm und dem NS-Staat waren jedoch durchaus widersprüchlicher Natur. Nur eine differenzierende Betrachtung der Vorgänge kann daher die Fakten sachgemäß werten. Die Auseinandersetzungen waren auch keineswegs auf die Glaubensbewegung der „Deutschen Christen“ (DC) beschränkt, sondern fanden oft unmittelbar mit der Staats- und Parteimacht selbst statt.

1.) Die Einstellung des Staates zur Kirche (Werbung und Bekämpfung)

Die NSDAP und ihr Staat gaben sich in den ersten Monaten dieser Ära durchaus kirchenfreundlich. Da Hitler zunächst an einer breiten Zustimmung des Volkes zu seinen Ideen und Vorhaben gelegen war, suchten die Machthaber den Kontakt zur Kirche. Es ist nicht auszuschließen, dass es unter ihnen Leute gab, die ernsthaft an eine Symbiose von Christentum und Nationalsozialismus glaubten. So stellte der bayerische Ministerpräsident Siebert in seiner Sylvesteransprache von 1933 die Devise auf: „Unsere Religion ist Christus, unsere Politik ist Deutschland“. Dieser Haltung entsprach am 11. Juni 1933 eine auffallend große Beteiligung von NS-Organisationen an der Einführung Meisers als Bischof der bayerischen Landeskirche in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg. Auch gewährte der bayerische Kultusminister Schemm Landesbischof Meiser die Einsichtnahme in das Konzept einer Rede, die Hitler zu den bevorstehenden Kirchenvorstandswahlen in der Deutschen Evangelischen Kirche halten wollte. Meiser bat Schemm, Hitler davon abzubringen, aber Schemm war erfolglos.

Gleichzeitig jedoch führte das Regime einen erbitterten Kampf gegen Christentum und Kirche und bediente sich dafür zunächst der Deutschen Christen. Auf der berühmt-berüchtigten Sportpalastkundgebung in Berlin am 13.11.1933 forderte ihr Gauobmann von Großberlin vor 20.000 Menschen die Befreiung des Gottesdienstes von allem „Undeutschen und Bekenntnismäßigen“, „Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lohnmoral“, von diesen „Viehhändler- und Zuhältergeschichten“. Auch sollte die „Minderwertigkeitstheologie des Rabbiners Paulus“ entfernt, sowie eine übertriebene Herausstellung des Gekreuzigten vermieden werden. Dem Totalitätsanspruch der NSDAP stand der auf die Bibel des Alten und Neuen Testaments sowie auf die reformatorischen Bekenntnisschriften gegründete Glaube vieler evangelischer Christen in Deutschland entgegen.

Die radikale Vernichtung der christlichen Kirchen war für die Zeit nach einem gewonnenen Krieg vorgesehen. Schon vorher aber gehörte ihre Bekämpfung zum Regierungsprogramm der Nationalsozialisten. Eine endlose Zahl von Strafmaßnahmen aller Art, vom Redeverbot bis zur Inhaftierung in Konzentrationslagern umfasste die Palette dieser Maßnahmen. In Bayern wurden im Lauf der 12 Jahre NS-Herrschaft 2306 Strafen über Pfarrer verhängt.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die Pfarrer der bayerischen Landeskirche eine schweigende mutlose Masse gewesen wären. Die Kirche war einer ununterbrochenen Bedrängung durch Diffamierungen von Pfarrern und Laien, Beschlagnahme kirchlicher Druckerzeugnisse, Auflösung kirchlicher Organisationen, Übergriffe in das gottesdienstliche Leben, Einstellung kirchlicher Zeitschriften, Untersagung von Freizeiten und Bibelwochen, Verboten von Versammlungen und Reisen und einer Bedrängung durch viele andere Schikanen ausgesetzt.

2.) Die Haltung Meisers gegenüber dem Staat (Loyalität und Protest)

Um die Haltung Meisers und der damals führenden Generation in Deutschland richtig einordnen zu können, ist ein Rückblick in die deutsche Geschichte notwendig. War das deutsche Nationalgefühl schon in der Romantik politisch und literarisch zum Ausdruck gekommen, so steigerte es sich im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung zu einem gemeinsamen deutschen Staat im Kaiserreich nach 1871. Das Wirken Bismarcks vor und nach 1871 zeitigte ein Nationalbewusstsein, das die deutsche Seele mit Befriedigung erfüllte. Umso schwerer war die deutsche Niederlage 1918 und der Vertrag von Versailles zu verwinden, weil dieser von vielen Deutschen damals als eine ungeheure Demütigung des deutschen Volkes empfunden wurde. Hitlers propagandistische Betonung des Deutschtums fiel daher bei vielen Deutschen auf empfänglichen Boden. Auch Meiser war deutschnational und konservativ eingestellt ohne chauvinistisch zu sein. Bei ihm verband sich damit die Wertschätzung der staatlichen Organisation, wie sie Röm. 13,1 ausspricht: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott verordnet“. Das Augsburger Bekenntnis von 1530 (Confessio Augustana) nimmt diese Sicht auf, versäumt jedoch nicht, den Christen einzuschärfen, dass man Gott mehr gehorchen solle als den Menschen, wenn der Obrigkeit Gebot „nicht ohne Sünde befolgt werden kann“ (Artikel 16).

Die Problematik, die dieser Artikel in sich trägt, bezeichnet genau die Situation, in der Meiser in seinem Verhältnis zum NS-Regime stand. Am Beginn des „Dritten Reiches“ setzte er große Hoffnung auf eine neue Ordnung des Staatswesens, die dem antichristlichen Kommunismus kraftvoll entgegentreten und dadurch der Kirche eine mehr oder weniger ungestörte Entfaltung ihrer Aktivitäten ermöglichen würde. Bei dieser Erwartung handelte es sich nicht nur um ein persönliches Trauma, das Meiser infolge seiner Inhaftierung durch Organe der bayerischen Räterepublik erhielt, sondern sie entsprang auch einer lebhaften Erinnerung an die grauenvollen Christenverfolgung durch die Bolschewiken nach ihrem Sieg 1918/19 in Russland und im Baltikum, der viele Tausende orthodoxer und evangelischer Christen zum Opfer gefallen waren. Die solchermaßen mehrfach begründete Einstellung zum Staat führte z. B. zu der Anweisung an die Pfarrer in Bayern, bei wichtigen nationalen Anlässen in den Friedensjahren und später im Krieg die Kirchen zu beflaggen und die Glocken läuten zu lassen, den Religionsunterricht mit dem Hitlergruß zu beginnen und etwaige kirchliche Kollekten dem staatlichen Winterhilfswerk zuzuführen. Den Abbruch der Münchner Matthäuskirche nahm Meiser hin, da Kultusminister Wagner einen Ersatzbau für diese Kirche an anderer Stelle versprochen hatte.

All dies geschah jedoch noch aus einer ganz anderen Überlegung. Meiser hoffte durch zeitweise bekundete Loyalität, dem Staat und der NS-Partei ein Mindestmaß an Freiraum für die Aktivitäten der Kirche abringen zu können. Ein deutliches Beispiel dafür ist der schon erwähnte damalige Religionsunterricht. Der Staat hatte zur Bedingung gemacht, dass jede Stunde mit dem Hitlergruß eröffnet werden müsse, andernfalls würde dieser Unterricht verboten. Was war nun wichtiger: Die Unterlassung dieses Grußes und der darauf folgende Wegfall des Unterrichts (gerade in dieser Zeit!) oder seine Weiterführung? In solchen „Zwickmühlen-Situationen“ ging es nicht nur um Taktik, sondern um die Frage: Wie kann die Kirche ihrem Auftrag dem deutschen Volk gegenüber am wirksamsten nachkommen? Es ging auch nicht nur um „Besitzstandwahrung“ der Kirche, sondern es entsprang einer tiefen inneren Sorge um die Zukunft dieses Volkes, wenn es den durch den Nationalsozialismus eingeschlagenen Weg weiterging. Es handelte sich nicht um Taktik aus Feigheit, sondern um Taktik aus der Verantwortung für eine ganze Landeskirche – man kann ohne Übertreibung auch sagen – ein ganzes Volk.

Aber diese Art zu handeln war nur die eine Seite von Meisers Vorgehen, die andere bestand aus einem schier unermüdlichen Protest. Aus Platzgründen kann hier nur einiges aufgeführt werden. Im August 1933 richtet Meiser eine Denkschrift an Ministerpräsident Siebert, in der er sich über die Wahlbeeinflussung der Partei bei den Kirchenvorstandswahlen im Juli ausspricht. Im Januar 1934 überreicht er eine Denkschrift an Hitler mit der Forderung nach dem Rücktritt des von diesem protegierten Reichsbischofs Ludwig Müller. Am 13.3.1934 gewährte Hitler den Bischöfen Wurm (Württemberg) und Meiser eine Unterredung. Die Bischöfe legten dar, warum sie eine Zusammenarbeit mit Müller ablehnten. Hitler antwortete und erklärte, er werde Müller nicht abberufen. Darauf Meiser: „Wenn der Führer bei seinem Standpunkt verharren will, bleibt uns nichts anderes übrig als seine allergetreueste Opposition zu werden.“ Auch unter den heutigen Gegebenheiten freier Meinungsäußerung wird klar sein, dass viel Mut dazu gehört hat, einem Diktator Auge in Auge eine entgegengesetzte Haltung anzukündigen. Hitler geriet in maßlose Erregung und schrie: „Was sagen Sie? Allergetreueste Opposition? Feinde des Vaterlandes, Verräter des Volkes sind Sie.“ In der zeitgeschichtlichen Beurteilung Meisers wird meist nur das Wort „allergetreueste“ gehört, aber die Aussage „Opposition“ übersehen.

Weitere Dokumente belegen Auseinandersetzungen mit den Reichsministern Frick und Gürtner, Reichsmarschall Göring, Reichsstatthalter von Epp (diesem sowie Ministerpräsident Siebert teilte Meiser aus seinem Hausarrest im Oktober 1934 heraus die Bedingungen für eine Befriedung der bayerischen Landeskirche mit), Gauleiter Wagner sowie untergeordneten Staats- und Parteistellen (z. B. der Gestapo). Selbstverständlich setzte er sich im Juni 1936 für die Haftentlassung von Vikar Steinbauer in Penzberg (Oberbayern) ein, desgleichen bei Göring für die Freilassung Pfarrer Niemöllers, der am 3.3.1938 in das KZ Sachsenhausen verbracht worden war. Bei von Epp protestierte er am 23.2.1940 mit „sichtlicher Erregung“ gegen die vom Staat eingeleiteten Euthanasiemaßnahmen. Sein Vorgehen in der Judenproblematik ist an anderer Stelle dieser Reihe geschildert.

3.) Der Kampf von Staat und Partei gegen Meiser

Naturgemäß ließ sich das NS-Regime solche „Aufsässigkeit“ nicht lange gefallen. Darum gibt es in Meisers Geschichte nicht nur den Widerstand gegen die Staatsgewalt, sondern auch den Kampf des Staates gegen ihn. Am 15.9.1934 brachte die Fränkische Tageszeitung in Nürnberg einen Artikel des stellvertretenden Gauleiters Karl Holz mit der Überschrift: „Fort mit Landesbischof D. Meiser! Er ist treulos und wortbrüchig – Er handelt volksverräterisch – Er bringt die evangelische Kirche in Verruf“. Dies war der Auftakt zur Verhängung des Hausarrests vom 12. – 26.10.1934, der einen Sturm der Entrüstung in ganz Bayern auslöste. Viele Gemeindeglieder, vor allem aus Franken, reisten nach München, um den gefangenen Bischof ihrer Treue zu versichern und bei Innenminister Wagner vorzusprechen. Auch bei Himmler in Berlin wurde protestiert. Der „Aufstand“ verfehlte seine Wirkung nicht, zumal das Ausland Kunde davon bekam. Meiser und der württembergische Landesbischof Wurm, dem Gleiches widerfahren war, wurden wieder auf freien Fuß gesetzt. Wurm hat diesen Vorgang später als die „einzige innenpolitische Niederlage“ Hitlers bezeichnet. Auch in der Folgezeit hat man Meiser immer wieder zugesetzt durch mehrere Strafverfahren, Redeverbote und Ausweisungen aus Thüringen und Sachsen.

Wie bei jedem Menschen in schwierigen Situation Fehlverhalten auftritt, so war es auch bei ihm. Er hat dies rückhaltlos bekannt, z. B. in einem Rundschreiben vom 13.3.1934 an die bayerischen Pfarrer wegen seiner Zustimmung zur Wahl Ludwig Müllers zum Reichsbischof, sodann in der ersten Synode nach dem Krieg im Juli 1946, in der er wörtlich ausführte:

„Meine Herren!

Ich möchte der letzte sein, der hier Dinge zu beschönigen versucht, an denen man wohl sein Leben lang als an schweren bitteren Wunden trägt. Aber es ist die Frage, ob es wirklich unsere Pflicht ist, diese Wunden, die wir mit uns tragen aus der Zeit des Kampfes, nach außen hin immer wieder aufzubinden. Mir geht immer ein Wort des großen Theologen Bachmann nach: ‚Die rechte Buße ist ein neues Leben‘. Man kann Buße tun nicht bloß durch Schuldbekenntnisse – die können recht zweckbestimmt sein; die Echtheit der Buße erweist sich darin, dass man die Fehler, soweit Gott Gnade gibt, in Zukunft vermeidet. Eines möchte ich ablehnen, mich ständig zur Buße rufen zu lassen von Leuten, die außer jeder Verantwortung stehen. Das sieht man auch im Ausland ein, dass der ständige Bußruf K. Barths nicht stimmen kann. „Wir im Ausland sollten das Wort Calvins nicht vergessen: ‚Ihr standet im Kampf und wir im Schatten‘.“

Es ist etwas anderes in der Kampfsituation gestanden zu sein oder von außen her die Dinge mit billigen Urteilen zu begleiten. Dafür kann ich mich und unsere Kirchenleitung nicht entschuldigen, dass wir nicht alle im KZ waren. Vielleicht waren wir zu zaghaft, unsere Gegner herauszufordern, vielleicht aber lag es auch daran, dass unsere Gemeinden uns geschützt haben, dass nach dem Erleben des Kirchenkampfs und dem Aufstand der Gemeinden die maßgeblichen Stellen sich sehr gehütet haben, einen ähnlichen Aufstand der Gemeinden zu provozieren. Nachträglich rühmt sich der Polizeipräsident von Nürnberg, dass ich und Pfarrer von Mittelfranken es ihm zu verdanken hätten, dass wir nicht ins KZ kamen. Es kam also auch auf das Gegenüber und dessen Gesinnung an. Aber dafür kann ich mich nicht entschuldigen.

Ich möchte jetzt nicht auf einzelne Gravamina eingehen, die aufgeklungen sind: Wahl des Reichsbischofs Müller – Reichskirchenausschüsse – Gebetsliturgie – Schulkampf usw.

Hier wäre viel zu sagen, um zu einer gerechten Beurteilung der Haltung der Kirchenleitung zu kommen. Ich wehre mich gegen ein Generalverdammungsurteil. Hier wird heute das letzte Urteil noch nicht gesprochen sein. Aber ein anderes sei grundsätzlich gesagt: Durch manche Äußerungen klingt es so, dass wir deswegen unsere Aufgabe versäumt hätten, weil unser Widerstand nicht zugleich in eine politische Widerstandsbewegung einmündete, weil wir uns nicht am Tyrannenmord beteiligt haben: ‚Jetzt, jetzt gehören die Christen auf die Barrikaden!‘

Ob nicht die Salzburger Emigranten dem Geist des Evangeliums näher stehen als die französischen Hugenotten? Und ob nicht die Evangelischen in Österreich, die in der Zeit des Geheimprotestantismus durch 180 Jahre das Evangelium allen Widerständen zum Trotz hindurchgerettet haben, mehr Salz und Kraft für die christliche Kirche in Europa geworden sind, als die, die entgegen der Weisung des Herrn das Evangelium auf des Schwertes Spitze gestellt haben? Lassen Sie sich nicht das Urteil dadurch verwirren, ob die Vertreter der Kirche in der politischen Widerstandsbewegung führend waren oder nicht! Die lutherische Ethik wird dazu wohl einmal noch Stellung nehmen.“

Auch die Stuttgarter Schulderklärung vom Oktober 1945 trägt seine Unterschrift. Bei der ersten Zusammenkunft des Exekutivausschusses des Lutherischen Weltbundes 1947 im schwedischen Lund bat er in bewegenden Worten die Bischöfe der ehemals feindlichen Staaten um Vergebung für die Untaten, die durch Deutsche in ihren Ländern begangen worden waren. Erst durch Meisers Bitte wurde die Kontaktaufnahme zwischen den lutherischen Kirchen Deutschlands und den auswärtigen Kirchen wieder möglich.

Jeder, der in einem öffentlichen Amt steht, ist der Kritik ausgesetzt. Aber jeder hat auch das Recht, aus seiner Zeit und Situation heraus verstanden zu werden. Zusammenfassend kann mit seinem Freund Julius Schieder, ehemals Kreisdekan in Nürnberg, gesagt werden: „Meiser war ein Wächter auf den Mauern der Kirche.“

4.) Chronologie

Im folgenden soll ein Auszug aus dem Buch „Chronologie des bayerischen Kirchenkampfes 1933 – 1945“ von Helmut Baier und Ernst Henn einen kurzen Überblick über die Kampfmaßnahmen des NS-Regimes gegen die Kirche und das Protestverhalten Meisers geben.

 

1933

11.07.33 Gespräch im RMdI (Reichsministerium des Inneren) unter Leitung von Dr. Frick: Meiser stellt die Bedingung, dass die Staatskommissare zurückgezogen werden und die Freiheit der Kirche wieder hergestellt wird
22.07.33 Schemm gibt Meiser Einblick in das Redekonzept von Hitler zur Kirchenvorstandswahl. Meiser bittet Schemm, Hitler von der Rede abzuhalten – erfolglos
24.07.33 Audienz bei Hitler. Die Kirchenführer versuchen, Hitler die Augen über die Kirchenwahl zu öffnen
01.08.33 Meiser verfasst Denkschrift an Siebert über die mancherlei Wahlbeeinflussung durch die Partei
30.08.33 Der Landeskirchenrat beschließt, eine Vorstellung an das zuständige Ministerium wegen Behandlung der Nichtarier zu richten, weil „durch diese Maßnahmen viel Unrecht erlitten würde“
31.12.33 Sylvesteransprache Sieberts: „Unsere Religion heißt „Christus“, unsere Politik heißt „Deutschland“

1934

24.01.34 Überreichung einer Denkschrift an Hitler über die Unerträglichkeit des Reichsbischofs und Forderung nach seinem Rücktritt
25.01.34 Besprechung bei Hitler
30.01.34 Gedenkgottesdienste zum Jahrestag der Machtübernahme auf Anordnung des Landeskirchenrates
31.01.34 Schemm fordert in einem Telefongespräch Pfr. Zwörner in Selb auf, Meiser zu stürzen und selbst Landesbischof zu werden
08.03.34 Memorandum von Wurm und Meiser an Hitler über RB Müller
11.03.34 Siebert tritt für eine Gemeinschaftsschule ein
13.03.34 2-stündiges Gespräch von Wurm, Meiser, Hptm. Pfeffer mit Hitler – Meiser: „allergetreueste Opposition!“
22.04.34 Bekenntnisgottesdienst gegen die „Gefährdung der Kirche“ – in Ulm
17.05.34 Meiser an Frick: Scharfes Schreiben wegen der Eingliederungspolitik der Reichskirche
14.08.34 Protest von Meiser und Wurm gegen die Gewalttätigkeiten bei der Eingliederung
13.09.34 Aussprache Meiser – von Epp
12.10.34 Hausarrest für Meiser und Wurm. Meiser verweigert die Unterschrift unter die ihm von Jäger vorgelegte Abdankungsurkunde
22.10.34 Meiser teilt Siebert (und v. Epp?) die Bedingungen für die Befriedung der bayerischen Landeskirche mit
26.10.34 Enthaftung von Meiser und Wurm
31.10.34 Marahrens, Meiser und Wurm bei Hitler

1935

12.02.35 Meiser mit Breit bei Reichsminister des Inneren Gürtner: „Es ist ganz unmöglich, dass die Gerichte laufend die Illegalität des Reichsbischofs bescheinigen und der Staat ihn als legal behandelt.“ – Gürtner will Hitler sagen, dass es mit Müller keinen Frieden gibt
17.02.35 Gegenaktion der Partei (Holz) gegen den Besuch Meisers in Heidenheim
31.03.35 Das Läuten der Glocken unterbleibt. Fürbittgottesdienste werden für die im KZ Dachau einsitzenden Amtsbrüder gehalten
26.06.35 Meiser protestiert schriftlich bei Göring wegen dessen Angriffe auf die Kirche bei einer Rede auf dem Hesselberg, am 29.6. nochmals Schreiben an Göring, desgleichen am 22.7.
August 35 Karl Holz führt erbitterte Angriffe im „Stürmer“ mit den gemeinsten Verleumdungen gegen die Einstellung Meisers zur Judenfrage und gegen Pfarrer (Bild: Pfarrer knien vor Juden, Sowjetsternen und Kreuzen)

1936

08.09.36 Meiser verwahrt sich gegenüber Kerrl, der Kirche das Recht zu seelsorgerlicher Wahrheit (Kundgebung gegen die Nationalkirche) abzusprechen, da sonst die Kirche aufhören würde, Kirche zu sein
27.10.36 Meiser spricht mit Reichsstatthalter Ritter von Epp über die kirchliche Lage

1937

02.01.37 Meiser wird in Erfurt durch Reg.-Präsident Weber gewaltsam an der Predigt gehindert
29.03.37 Entwürdigende Behandlung Meisers in Roth durch Parteiorganisationen
08.05.37 Meiser wird aus Thüringen ausgewiesen
13.05.37 Protest Meisers gegen seine Ausweisung aus Thüringen an das RMdI: DC-Würdenträger dürfen in Bayern ungehindert wirken
02.07.37 Fast dreistündige turbulente Aussprache Meisers mit Innenminister Wagner über Schule, Kanzelerklärungen, Fall Steinbauer und 15. DVOZu „DVO“ teilt das Landeskirchliche Archiv mit: „Die Abkürzung DVO steht für Durchführungsverordnung. Die 15. Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 25.06.1937 schreibt die Bildung von Finanzabteilungen in den einzelnen Landeskirchen vor, die zentralistisch dem Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten unterstehen. Abgedruckt ist die 15. DVO in: Gesetzblatz der DEK, Jg. 1937, Nr. 12 vom 03.07.1937, S. 33-35. Gegen diese Verordnung leistete die Bayerische Landeskirche erheblichen Widerstand.“
09.08.37 Kerrl lehnt es ab, auf eine Forderung des LKR einzugehen, den Aushang des „Stürmers“ in den Schulen abzustellen
20.10.37 Meiser erhält in Dresden, wo er in der Kreuzkirche predigen will, Redeverbot

1938

19.04.38 Gegen Meiser laufen vier Strafverfahren
Dez. 38 Eingabe Meisers an Göring zur Entlassung Niemöllers – erst ein zweites Exemplar, das Göring privat zugeleitet wird, erreicht ihn

1939

06.10.39 Nach einer Besprechung Meisers mit Gauleiter Wagner sagt dieser am 5.9.1939 zu, dass der Religionsunterricht nur im Rahmen der Verkürzung der übrigen Unterrichtsstunden gekürzt werden soll

1940

23.02.40 Meiser wird bei Reichsstatthalter von Epp wegen der Euthanasieaktionen vorstellig – Epp sagt eine Untersuchung zu

1941

Mai 41 Verhör Meisers durch die Gestapo wegen eine Hirtenbriefes an bayerische Geistliche im Felde, der unter das generelle Verbot falle
9.12.41 Schreiben Wurms an Hitler im Auftrag der Kirchenführer mit allen Gravamina

1942

Dezember 42 Meiser sieht den Bestand der Landeskirche im großen und ganzen gewahrt

Dass der Staat nicht nur mit seinen Deutschen Christen – entgegen aller anfänglicher Beteuerungen – der Kirche generell feindlich gesonnen war, offenbarte Hitlers Chefideologe Alfred Rosenberg, als er im Juni 1934 seinem Tagebuch anvertraute: (Hitler) „Betonte lachend nun mehr als einmal, er sei von jeher Heide gewesen, es sei jetzt die Zeit gekommen, da die christliche Vergiftung ihrem Ende entgegengehe.“ (Rauschning, S. 50).

Ein Jahr zuvor hatte Hitler bei der Begegnung mit Hans Meiser seine Gesinnung schon preisgegeben, als er dem Protokoll des Landesbischofs zufolge sagt: „Die Kirche müsse sich an die Lehren von Blut und Rasse gewöhnen; so wenig die katholische Kirche es habe ändern können, dass sich die Erde um die Sonne drehe, so wenig könnte die Kirche die unwiderleglichen Tatsachen, die mit Blut und Rasse gegeben sind, aus der Welt schaffen. Wenn sie dass nicht anerkennen, gehe eine Entwicklung einfach über sie hinweg. Er gehe nicht in die katholische Kirche, aber noch weniger möchte er in die evangelische gehen, die so von Streit zerrissen sei.“ (Kretschmar, S. 50).

1937 wütet Rosenberg in seinem Buch „Protestantische Rompilger“: „Der marxistische Atheismus hatte keine Empörung gezeitigt, eine tief religiöse deutsche Gläubigkeit aber wurde von leblosen Theologen verflucht, weil sie… in anderen Formen leben wollte als jene, die sich ‚bekennende‘ Lutheraner nannten und doch nur eine schlechte Abart von Rabbinern und Jesuiten geworden waren.“ (Rosenberg, S. 22).

Das NS-Regime duldete von Seiten der Kirchen keinerlei Einmischung in seine Politik. Das machte Hitler deutlich, als er 1937 kundtat: „Soweit sie sich um ihre religiösen Probleme kümmern, kümmert sich der Staat nicht um sie. Wenn sie versuchen, durch irgendwelche Maßnahmen, Schreiben, Enzykliken usw. sich Rechte anzumaßen, die nur dem Staat zukommen, werden wir sie zurückdrücken in die ihnen gebührende geistlich-seelsorgerische Tätigkeit.“ (Domarus, S. 690).

Ähnlich äußerte sich Hitler am 30.01.1939 in der Kroll-Oper zu Berlin: „Der nationalsozialistische Staat wird… Priestern, die, statt Diener Gottes zu sein, ihre Mission in der Beschimpfung unseres heutigen Reiches, seiner Einrichtungen oder seiner führenden Köpfe sehen wollen, unnachsichtig zum Bewusstsein bringen, dass eine Zerstörung dieses Staates von niemandem geduldet wird… Die Staatsfeinde zu vernichten ist seine Pflicht… Den deutschen Priester als Diener Gottes werden wir beschützen, den Priester als politischen Feind des Deutschen Reiches werden wir vernichten.“ (Domarus, S. 1058 f.).

Im selben Jahr drohte Alfred Rosenberg auf der Reichskulturtagung: „Dass die katholische Kirche und mit ihr die evangelische Bekenntniskirche in der heutigen Formgestaltung verschwinden müssen, darüber bin ich mir – und ich glaube das auch im Sinne unseres Führers sagen zu können – vollkommen klar… Weiterhin ist der Aufbau des Lehrplans in allen Kategorien unserer Schulen bereits derartig in antichristlichem, antijüdischem Sinne erfolgt, dass die aufwachsende Generation vor dem schweren Schwindel bewahrt bleibt.“ (Neuhäusler, S. 259 f.).

Wie sehr die Kirche bedroht war, zeigt ein Dokument des baden-württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm, das im Auftrag der Kirchenführerkonferenz, zu der auch Hans Meiser gehörte, verfasst wurde. Wurm wurde, da er der älteste der Bischöfe war, zum Schriftführer ernannt. Dieses Dokument ist zusammen mit zwei weiteren Schreiben Wurms zur „Judenfrage“ im Menüpunkt „Dokumente“ zu finden.